Schaffhausen – Die vier Menschen, die da auf der Bühne stehen, Polt und die drei Well-Brüder, sind selbst schon in die Jahre gekommen. Die Witze dagegen nicht. Die sind erstaunlich haltbar. Und deshalb immer noch einen Tipp wert. Wer weiß, wie lange noch.

„Ich war noch sehr jung für mein Alter“, erinnert sich Gerhart Polt gleich zu Beginn des Stücks „A scheene Leich“ an seine Kindheit. Vielmehr erinnert sich die Figur, der alte Bestatter, und nicht Polt. Wobei es schwer zu unterscheiden ist, was wirklich gespielt ist und was vielleicht sogar echt ist, wenn Polt da steht und sinniert: „Was wollte ich Ihnen eigentlich jetzt nochmal erzählen? Ah, ja, genau.“

Der bayrische Kabarettist Gerhard Polt wird im Mai 83 Jahre alt. Man darf also festhalten, das er in die Jahre gekommen ist, dass er alt ist. Doch das hält ihn nicht davon ab, immer noch aufzutreten. „Ja, warum denn nicht?“, hört man ihn da in den eigenen Gedanken sagen. Klar, solange sein Geist und sein Körper mitspielen, ist nichts dagegen einzuwenden. Im Gegenteil, wenn die Theaterbühne jung hält, dann soll er das bitteschön so lange machen, wie es irgendwie geht.

Für die Zuschauerinnen und Zuschauer, die im Durchschnitt genauso in die Jahre gekommen sind, haben die Witze jedenfalls weder an Bedeutung, noch an Zumutbarkeit verloren. Das ist für Kaliber dieser Jahrgänge keine Selbstverständlichkeit. Man nehme Gottschalk beispielsweise, dessen Humor einfach nicht mehr zeitgemäß ist und der lieber die Zoten der Vergangenheit verteidigt, als sich mit dem Humor der Zukunft zu beschäftigen. Sicherlich gäbe es auch bei Polt und den Well-Brüdern den ein oder anderen Kalauer aus heutiger Sicht zu besprechen. Aber Anzüglichkeit war ja noch nie ihr Metier, weshalb man den Humor des Theaterstücks „A scheene Leich“ auch heute noch genau so fröhlich wie trocken genießen kann.

Theater in Schaffhausen: eine Augenweide
Das Theater in Schaffhausen: eine Augenweide.

Eine „Leich“ – so habe auch ich mich schon belehren lassen müssen – nennt man in Bayern die Beerdigungsfeier. Es handelt sich also nicht um „eine schöne Leiche“, sondern um eine schöne Trauerfeier. „Ganz a scheene Leich war des“, heißt es im Stück.

„A scheene Leich“ wurde im November 2023 Uraufgeführt im Schauspielhaus der Müncher Kammerspiele. Es handelt von einem Beerdigungsunternehmer, der ein sehr guter Geschäftsmann war, der aber nun selbst gestorben ist, und dessen Hinterbliebenen sich nun um das Erbe streiten. Wie man es von Polt und den Well-Brüdern gewohnt ist, wechseln sich Kabarett und Musikeinlagen miteinander ab. Doch anders als üblich hängen die Einzelwerke thematisch miteinander zusammen und haben ein ausgeklügeltes Bühnenbild. Die zweistündige Veranstaltung – ohne Pause – geht im Flug vorbei und macht einfach nur Spaß. Wobei nicht alle mit der pausenlosen Unterhaltung einverstanden sind. So verließ die Dame vor mir nach anderthalb Stunden den so hübsch anzuschauenden Theatersaal mit den Worten: „Des is mir iefach z’lang, ohne pausig.“

Wer die Gelegenheit bekommt, das Stück zu sehen, der sollte die Gelegenheit auch wahrnehmen. Schon allein deshalb, weil es sicherlich nicht mehr zehn Jahre lang aufgeführt werden wird. Aber auch, weil die Performance von Polt und der Well-Brüder nach wie vor ihre Späße mit einem nachdenklichen Zauber versehen, der auch nach der Aufführung nachwirkt.

Was bedeutet es, alt zu sein? Es kann bedeuten, seine Würde zu verlieren, weil man die Selbstständigkeit verliert und die Versorgung der Alten längst eine Frage des Geldes geworden ist. Auch darum geht es in „A scheene Leich“: Wie gehen wir mit dem Alter um? Ja, wir sollten auch drüber lachen können. Denn lachen hilft ja, manches Leid zu tragen. Aber so, wie die Gesellschaft mit Menschen im Altersheim umgeht, sollte uns auch mal das Lachen im Halse stecken bleiben.


Erfahren Sie mehr über das Stück „A scheene Leich“ über diesen Link zu den Münchner Kammerspielen.

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